Die
Musik erfindet den Raum:
“Jean Jacques
erfindet oder vielmehr „findet“ die Musik in dem Moment, in dem sie
erklingt. Er atmet mit den Schauspielern. Er folgt dem ständig
wechselnden Pulsschlag jeder Figur. Er überträgt die
Schwingungen der Gefühle in den Raum – er macht die Spuren
sichtbar, die jeder Akteur um sich zieht und mit sich trägt wie
die Linien eines magnetischen Feldes.
Es
scheint,
als flössen Impulse von der Bühne direkt in seine Hände
und werden weiter geleitet auf das Leder, Holz oder Metall der
Instrumente.
Von
diesen
wiederum steigen Bilder und Rhythmen auf, die weder realistisch noch
abstrakt sind, sondern den Raum erschaffen, in dem die Erzählung
sich vollenden kann.“ (H.C: ThdS)
Jean
Jacques Lemêtre verschafft sich bereits als Kind
autodidaktischen Zugang zu verschiedensten Instrumenten. Er tritt als
12jähriger mit Pariser Rockbands auf, singt und spielt Saxophon
und Klarinette. Er nähert sich einzelnen Musikepochen und Stilen
über den handwerklichen Umgang mit den jeweils typischen
Instrumenten, um so zu einem Verständnis quasi „von innen“ zu
gelangen.
Parallel
dazu beginnt er eine breitgefächerte akademische
Ausbildung: Gregorianik an der Akademie von Loretto, Klarinette,
Saxophon, Komposition und Instrumentenbau am Konservatorium von Paris
und schließt sie mit zahlreichen Preisen, Graden und Diplomen ab.
Er spielt
in mehreren französischen Symphonieorchestern,
beschäftigt sich zeitweilig ausschließlich mit der Musik und
den Instrumenten des Mittelalters, arbeitet mit Pierre Boulez in dessen
Orchestre Intercontemporain. Dazwischen kehrt er zum Rock zurück,
spielt Jazz und Freejazz, befaßt sich mit Stilelementen der
europäischen und außereuropäischen Folklore, sowie mit
traditioneller Musik des mittleren Orients.
1978
arbeitet er zum ersten Mal mit Ariane Mnouchkine
und deren
Théâtre du Soleil zusammen und ist seitdem
aus
Arbeit und Erfolg eines der wesentlichen Theater unserer Zeit nicht
mehr wegzudenken.
Auf jede
Produktion bereitet er sich intensiv vor: er hält sich
längere Zeit im jeweiligen Land auf, studiert Tradition, Religion
und Kunst, sammelt
Instrumente, baut sie um oder konstruiert neue, um
bestimmte Klangfarben erzeugen zu können.
Während
des Probenprozesses findet er zusammen mit den Darstellern
aus der Vielzahl seiner Instrumente diejenigen heraus, die der
Grundstimmung des
Stückes,
dem Charakter der Rolle und dem
Rhythmus der Szene entsprechen. Seine Musik ist am Premierenabend dann
zwar kompositorisch
festgelegt,
bleibt aber immer offen für die individuelle Inspiration jeder
Aufführung.
Neben der
sehr intensiven Arbeit mit Ariane Mnouchkine ist er seit den
siebziger Jahren als Komponist, Musiker
und künstlerischer Leiter
an einer
kaum noch überschaubaren Zahl von Film-, Fernseh-
und
Theater-Produktionen beteiligt. Er schreibt Theater- Ballett- und
Filmmusiken,
hat drei Opern
komponiert, sechs Cds
produziert, Musik für die Olympischen
Winterspiele sowie für die
Zweihundertjahrfeier
der französischen
Revolution, für audiovisuelle Experimente, Zirkus-Spektakel,
Varietés
und Werbung
geschrieben
und sich mit dem Aufbau multimedialer
Internet-Präsenzen beschäftigt. Für den
Eröffnungsabend des
TV-Kanals ARTE war er
als
musikalischer Leiter verantwortlich.
Er gibt
weltweit Seminare
über traditionelle Instrumente
und Musik und Workshops
für Schauspieler, Sänger und
Tänzer
über
die bewußte Wahrnehmung des 'musikalischen
Körpers' als Ausdrucksmittel.
Zunehmend
wird er auch in Länder eingeladen, deren musikalische
Traditionen durch politische Entwicklungen oder Kriege
verschüttet
sind, um beim Wiederfinden traditioneller Musiken
behilflich zu sein und sein Wissen über Bedeutung
und
Gebrauch traditioneller Instrumente weiterzugeben.
Auf der
ganzen Welt sucht und sammelt er alte
Originalinstrumente (von
denen er
in einigen Fällen das vermutlich letzte
Exemplar
besitzt) und baut Eigenkonstruktionen,
um z.B. für
Bühnenmusiken bestimmte Klangfarben erzeugen zu
können.
Seine Sammlung umfaßt inzwischen mehr als 3000
Instrumente.
Mehrere
seiner Theatermusiken wurden als „Meilleure
Composition
Scénique de l’Année“ ausgezeichnet.
2005 war
er der erste, der mit dem neu gegründeten Prix
Molière für Theatermusik ausgezeichnet wurde.
Sein
meditativ-sinnlicher Umgang mit der Welt der Klänge und seine
vitale Freude an allen Formen mitmenschlicher Kommunikation führte
zu einer Reihe sehr unterschiedlicher eigener Produktionen,
deren Bandbreite von verschiedenen Solokonzerten, in denen er eine
Auswahl seiner Sammlung traditioneller
Instrumente aus aller Welt vorstellt, über die Multimedia
Produktion "Babel Orkestra"
und die Musik-Theater Performance "Il y a une Planète" bis zu
einer Hommage an den legendären Musiker "Moondog" und zum
musikalischen-Restaurant "Musique et Gustation" reicht.